Seien Sie mutig, sprechen Sie Kongla!
Zweite interkulturelle Woche im Main-Kinzig-Kreis/Theatergruppe „thevo“ zu Gast in Gelnhausen Gelnhausen
(mes). Ein Mann und eine Frau aus einer fernen Welt geraten auf die Erde oder, genauer gesagt, nach Deutschland. Sie sehen nicht nur bizarr aus, sondern auch ihr Verhalten ist außergewöhnlich. Die Kleidung wirkt sonderbar und sie wenden eine Körpersprache an, als würden sie einer Choreografie folgen. Sie selbst machen einen irritierten, aber zugleich auch interessierten Eindruck. Das Absonderlichste ist jedoch ihre Sprache: Sie scheinen nur ein Wort zu kennen: Kongla. Und dieses Wort wiederholen sie fortwährend, nur die Sprachmelodie bringt Abwechslung und bietet Möglichkeiten zur Interpretation.
Uwe Weber und Alexandra Bauer von der Nürnberger Theatergruppe „thevo“ – Theater von Menschen für Menschen“ schlüpften gestern im Romanischen Haus in die Rolle dieser zwei Fantasiegestalten, die beide Kongla heißen, beide aus Kongla kommen und beide Kongla sprechen.
Kongla stellt in dem Theaterstück die einfachste Sprache der Welt dar, in der es nur ein Wort gibt, nämlich: Kongla. Die beiden Konglas befinden sich auf einem Bahnhof. Zusammen bestaunen sie die fremde Welt, in die es sie verschlagen hat. Sie lauschen den fremden Worten und saugen alle Eindrücke in sich auf. Doch dann verlieren sie einander. Die weibliche Kongla gelangt auf der Suche nach ihrem Partner in eine Fernsehsendung, in der sie einen Sprachwortschatz
gewinnt: 19 Wörter, mit denen Kongla garantiert jede Alltagssituation im deutschen Sprachraum bewältigen könne, behauptet der Moderator.
Kongla kann mit den geschenkten Worten den Satz „Wo ist Kongla?“ bilden und endlich ihren Partner wiederfinden.
Etwa 130 Menschen mit Migrationshintergrund und Deutsch als Fremdsprache waren Zuschauer dieses durch Interaktion lebenden Theaterstücks. Sie wurden zum Publikum der Fernsehshow, durch ihre vielfältigen Muttersprachen wurden sie zu „Sprachexperten“. Die Schauspieler baten sie innerhalb der Spielshow um Meinungen zu den Themen „Ist Deutsch die schwerste oder die leichteste Sprache der Welt?“ und „Wozu lerne ich überhaupt Deutsch?“ Sie übersetzten einwandfrei den auf Kongla gesprochenen Satz „Ich habe Hunger.“ Sie schenkten den beiden Konglas ihr Wissen über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen ihrer eigenen Muttersprache und Deutsch.
Das Theaterstück „Kongla – Sprechen Sie Deutsch?“ wurde 2008 entwickelt und geht auf ganz besondere Art mit dem Thema „Deutsch als Fremdsprache“ um: Es will Mut machen, Deutsch zu lernen – fremde Sprachen überhaupt zu lernen – mit Sprache umzugehen und seinen Wortschatz zu vergrößern. „Wenn Sie nicht mit 19 Wörtern zurechtkommen, dann holen Sie sich doch Hilfe!“, gibt der Moderator Kongla Zuversicht. Geboten wurde kein Sprechtheater, sondern ein Theater der Sprachen: Körpersprache, Musik, Lautmalereien und Worte machten deutlich, was wirklich wichtig ist, um Kommunikation zu ermöglichen.
Eingeladen wurde das Schauspielerduo von der Volkshochschule der Bildungspartner Main-Kinzig GmbH und dem Netzwerk „Migration im Main- Kinzig-Kreis“ im Rahmen der zweiten interkulturellen Woche im Main- Kinzig-Kreis. Das Netzwerk Migration ist die 2004 zu einer Steuerungsgruppe zusammengeschlossene Vertretung der Jugendmigrationsdienste (JMD), der Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) und der Flüchtlingshilfe folgender
Wohlfahrtsverbände: Deutsches Rotes Kreuz, Kreisverband Gelnhausen (DRK), das Diakonische Werk der evangelischen Kirchenkreise Hanau- Stadt und Hanau-Land (DW), der Internationale Bund (IB) und der Caritas-Verband für den Main-Kinzig-Kreis (CV). Die Steuerungsgruppe wurde vertreten durch Rainer Hinze (DW Gelnhausen), Annette Korndörfer (DW Hanau), Gabriele Wiemer (DRK), Claudia Muschler (CV), Zdravko Cutura (CV) und Andreas Glassen (IB).
Informationen zum Nürnberger Theaterensemble gibt es unter www.thevo.de.
Gelnhäuser Neue Zeitung vom 08.10.2010
Fotos:DRK